Wie stellt sich der deutsche Baseball und Softball von den Zahlen her 2023 dar?
Jürgen Elsishans: Wir haben gut 22.000 Mitglieder in 280 Vereinen. Davon spielen ungefähr 18.000 Baseball und 4.000 Softball. Das sind die aktiven Sportler.
Wie haben sich diese Zahlen in den vergangenen Jahren entwickelt?
Sie sind weitestgehend konstant. In den Jahren 2020 und 2021 hat natürlich kein oder nur kaum Spielbetrieb stattgefunden, da mussten wir Federn lassen und konnten keine ordentlichen Zahlen erfassen. Jetzt bewegen wir uns auf dem gleichen Niveau wie vor Corona. Und damit sind wir erst einmal zufrieden und froh, dass das nicht deutlich zurückgegangen ist.
Wie kann man denn den deutschen Baseball auf europäischer Ebene einordnen?
Zusammen mit der Niederlande und mit Italien zählen wir zu den drei größten Verbänden. Und leistungsmäßig sehen wir uns unter den Top-4 Nationen. Auch wenn wir im Herrenbereich bei den letzten Wettbewerben nicht so erfolgreich waren, wie wir das eigentlich sein wollten. Aber im Nachwuchsbereich sieht man deutlich, dass wir vorn mit dabei sind. Aktuell haben wir letztes Jahr die U12-EM gewonnen. Bei der U15 waren wir 2021 nicht so erfolgreich, da sind wir nur Fünfter geworden. Davor waren wir zweimal Europameister. Bei U18 sind wir auch nicht da, wo wir uns eigentlich sehen. Vor zwei Jahren waren wir Dritter, letztes Jahr nur Sechster. Okay, das ist bei so Turnieren auch immer Tagesform-abhängig. Und im Nachwuchsbereich von der Leistungsstärke der jeweiligen Jahrgänge. Bei der U23 waren wir jetzt auch zweimal Zweiter bei der EM und haben zwei Weltmeisterschaften gespielt.
Wie sieht es im Softball aus?
Hier sind wir auch noch nicht dort, wo wir uns eigentlich sehen. Da denken wir, dass wir mindestens unter die besten Sechs gehören und das haben wir bei der EM 2021 auch geschafft, 2022 mussten wir uns mit Rang acht begnügen.
Von den Mitgliederzahlen hätten wir also die Potenz, um vorne mitzuspielen. Warum sind die Italiener beispielsweise im Spitzenbaseball in einer anderen Katagorie?
Wenn man über die Herren redet, haben wir dort andere Voraussetzungen als im Nachwuchsbereich. Schauen wir uns das Roster der Italiener für die World Baseball Classic an, dann sind da vielleicht fünf Spieler dabei, die in Italien geboren wurden. Bei der EM haben die Italiener mittlerweile auch jede Menge eingebürgerte Spieler. Das ist bei uns zumindest bei den Europameisterschaften anders. Das ist auch der Unterschied zur Niederlande. Die sind im Herrenbereich eine andere Liga, aber viele Spieler kommen eben von den Niederländischen Antillen, also aus der Karibik. Allerdings machen die Holländer auch im Nachwuchsbereich eine sehr gute Arbeit. Da will ich gar nichts kleinreden. Dadurch, dass Holland so ein kleines Land ist, haben die ihre Leute schnell zusammengeholt und eine Kader-Maßnahme gemacht. Das ist bei uns nicht ganz so einfach, wir müssen da viel mehr investieren.
Wie groß war die Enttäuschung über das Abschneiden beim World Baseball Classic Qualifier im vergangenen Herbst in Regensburg, als sich die Briten und Tschechen durchsetzten aber nicht die Deutschen?
Da brauchen wir nicht drüber zu reden. Ich persönlich war wahrscheinlich am allermeisten enttäuscht. Da hatte ich doch was deutlich anderes erwartet. Und wir haben ja daraus letztendlich auch Konsequenzen gezogen. Wir haben die Zusammenarbeit mit Steve Janssen als Bundestrainer beendet.
Die Entwicklung des Baseball und Softball in Deutschland hat nun ja nicht zwingend mit den Resultaten beim WBC Qualifier oder bei Europameisterschaften zu tun. Seht ihr bei der Entwicklung des Sports als solchen und des Nachwuchses einen positiven Trend?
Was die Qualität der deutschen Spieler und Spielerinnen angeht, haben wir Boden gutgemacht. Im Top-Leistungsbereich profitieren wir auch von der DBA, der Deutschen Baseball Akadamie in Paderborn, mit der wir zusammenarbeiten. Die machen gute Arbeit. In den Auswahlteams, die wir auf Grund der föderalen Strukturen in Deutschland nicht direkt finanzieren können, da geht natürlich immer mehr. Wir müssen schauen, dass wir in der Breite weiterkommen und das ist für uns als Bundesverband schwierig. Wir können da nur Impulse geben und Anregungen. Denn die Arbeit muss letztendlich in den Vereinen gemacht werden. Und dann hängen da ja auch noch die Landesverbände dazwischen. Das ist auch ein Punkt, den ich mit der „Struktur unseres Sports in Deutschland“ meine. Das ist in anderen europäischen Ländern unkomplizierter.
Wie funktioniert denn die DBA und ihre Finanzierung?
Der Verein Deutsche Baseball Akademie e.V. wurde 2002 in Paderborn gegründet. Das Hauptziel des Vereins ist es, den deutschen Baseballsport – auch in der öffentlichen Wahrnehmung – voranzubringen. Der Verein der DBA wird über die Heinz Nixdorf Stiftung gefördert. Mit der DBA haben wir eine Kooperationsvereinbarung zur Betreuung der U12- und die U15-Nationalmannschaften. Darüber hinaus gibt es seitens der DBA auch Nachwuchs-Camps oder die Förderung des Baseballs als Wahlpflichtfach an diversen Universitäten in Deutschland.
Sieht der DBV bei den Nachwuchs-Nationalmannschaften eine gute konsistente Entwicklung in die richtige Richtung?
Eigentlich schon.
Was sind die Erfolgsfaktoren neben der DBA?
Die großen Vereine, die eine gute Arbeit machen. Definitiv. Unter anderem auch Stuttgart. Oder Mainz, Paderborn, wo es auch ein Internat gibt. Regensburg und Heidenheim ebenso. Oder Bonn. Wo eben Spieler ausgebildet werden.
Wie schlagen wir uns denn mit den Vereinsmannschaften in den Cup-Wettbewerben auf europäischer Ebene?
In den europäischen Vereinswettbewerben haben wir uns in den letzten Jahren ziemlich gut dargestellt. Heidenheim hat da immer einen ordentlichen Job gemacht. Es gibt da ja ein mehrstufiges System. Wir sind im Champions-Cup mit zwei Mannschaften vertreten. Bonn hat sich da in den letzten zwei Jahren auch sehr gut geschlagen.
Was macht der DBV, um den Bekanntheitsgrad unserer Sportarten in der Bevölkerung zu fördern?
Das ist schwierig. Nehmen wir die EM 2019 als Beispiel, die ja in Bonn und Solingen stattfand. Da haben wir wirklich viel gemacht. Wir waren in den Printmedien vertreten, haben Social Media gepusht, die Spiele live gestreamt. Wir waren in mehreren Fernsehsendungen in NRW präsent, aber auch im überregionalen Bereich. Aber selbst mit so was erzielst Du keine nachhaltige Wirkung in der Breite. In den überregionalen Medien hast Du nur die Chance über Nationalmannschaftsthemen ein bisschen reinzukommen. Oder maximal mit der deutschen Finalserie. Die Aufmerksamkeit überregional hängt natürlich auch mit dem sportlichen Erfolg zusammen. Bei der EM in Bonn haben wir die ersten beiden Spiele gewonnen. Da war dann auch die Sportschau oder der Sport im ZDF interessiert daran, das weiter zu begleiten. Mit jeder dann folgenden Niederlage verliert man aber Argumente.
Haben wir eine Chance, dass Baseball im Fernsehen kontinuierlich stattfindet?
Über Livestreaming und Social Media geht heute vieles einfacher als vor zwanzig Jahren. Aber um eine Sportart weiterzubringen, ist das A und O tatsächlich immer noch die Fernsehzeit. Es ist in Deutschland allerdings schwierig, eine Randsportart zu platzieren wenn Du nicht die finanziellen Mittel hast um Dich da quasi einzukaufen. Wir hätten auch bei der Europameisterschaft die Möglichkeit gehabt, bei Sport1 eine Magazinsendung zu schalten. Das hätte uns aber für eine Stunde Sendezeit 60.000 Euro gekostet. Und dann nützt Dir so ein einzelnes Magazin nichts, das müssten wir schon regelmäßig machen. Sport1 hat jetzt Sub-Rechte für MLB-Spiele und da versuchen wir, mit Matthias Ondrazcek, der ja auch bei uns in der Redaktion mitarbeitet, so ein bisschen ein Baseball-Magazin zu etablieren. Leider ist das noch nicht wie im American Football, wo jeden Sonntagabend regelmäßige Sendungen stattfinden.
Woran liegt es, dass Baseball noch so hinter dem Football hinterherhinkt?
Meine persönliche Meinung ist, dass dies mit dem Sport selbst zusammenhängt. Baseball ist eben vom Grundprinzip her so komplett anders als jedes andere Sport-Spiel in Europa. Beim American Football hast Du auch einen Ball, der hin und her gespielt wird. Und Tore.
Wie sieht es denn mit dem Engagement von Major League Baseball International aus? Was machen die denn mit Blick auf Europa und speziell Deutschland?
Das ist eines meiner Lieblingsthemen. Die MLB macht nicht wirklich was. Natürlich hatten sie sich engagiert beim WBC Qualifier in Regensburg. Das haben die mehr oder weniger finanziert. Und es gab vor drei Jahren ein Treffen in Berlin und dann ein Jahr später in Regensburg, bei denen gesagt wurde, Deutschland sei eines der Länder, das man seitens der MLB unterstützen wolle. Und dann haben wir über verschiedene Programme gesprochen. An Schulen, an Unis. Wie man auch die ältere Generation dazu gewinnen kann. Über Softball in irgendwelcher Form. Über Homerun-Derbys. Wir als DBV mussten dazu sehr viel Informationen und viele Zahlen liefern. Dann haben wir allerdings nichts mehr gehört. Und auf Nachfrage hieß es plötzlich, man habe doch andere Prioritäten.
Dass der WBC Qualifier in Regensburg ausgetragen wurde, ist ja eigentlich ein gutes Zeichen. Zum Beispiel dafür, dass man sich auf die deutschen Organisationskünste verlässt.
Das war ja schon das zweite Mal nach 2012, dass dieses Turnier in Regensburg ausgetragen wurde. Beim ersten Mal gab es wohl gute Erfahrungen. Und in Europa kommt nicht so viel in Frage, denn die Anforderungen etwa an das Spielfeld, sind schon ziemlich hoch. Es wäre auch nicht sinnvoll gewesen nach Italien oder Holland zu gehen – denn die beiden Länder spielten ja gar nicht mit, weil sie ja schon für das Finalturnier qualifiziert waren.
Gibt es eine Chance, dass reguläre MLB-Spiele wie sie dieses Jahr wieder in London ausgetragen werden – 2023 ist es die Serie St. Louis Cardinals gegen Chicago Cubs – auch in Deutschland stattfinden hätten können?
Das war auch im Gespräch. MLB-Spiele sollen künftig auch an anderen Orten in Europa austragen werden. Wir hatten ganz konkret Gespräche bezüglich Berlin geführt, MLB im Olympia-Stadion. Das wäre schon in Frage gekommen. Es gab dann ein Anforderungskonzept einer beauftragten Veranstaltungsagentur und Gespräche mit dem Land Berlin sowie der Betreibergesellschaft des Olympia-Stadions. Aber die Anforderungen der MLB sind dermaßen hoch und unrealistisch, dass die Gesprächspartner abgewunken haben. MLB wollte fast vier Wochen exklusiv das Olympiastadion haben und im Endeffekt nichts dafür zahlen. In Deutschland ist das so nicht wirklich machbar.
Die Impulse von oben, bzw. von außen durch die Major League Baseball, zur Entwicklung der Sportarten Baseball und Softball in Deutschland sind also überschaubar. Die Impulse müssen weiterhin aus den Vereinen auf lokaler Ebene kommen?
Ja. Richtig.
Nun bekommt Stuttgart dieses Jahr ein richtig tolles Baseballstadion. Wie sieht es denn in anderen Metropolregionen Deutschlands aus? Köln, Hamburg, Berlin, München.
In Hamburg müssen die Fussballer des FC St. Pauli ihr Trainingszentrum ausbauen, das ist ein DFB-Lizenzkriterium. Und die sind ja praktisch der direkte Nachbar der Baseballer, also der Hamburg Stealers. Da ist die Stadt reingegrätscht und gesagt, man soll das Gelände des FC St. Pauli in Richtung Baseballplatz ausweiten. Und die Baseballer sollen umziehen. Deshalb gibt es nun aktuell die Suche nach einem neuen Standort. Was daraus wird? Das ist Verhandlungssache. Es fehlt einfach die Lobby. Die Kölner hatten vor zwei Jahren Probleme mit einem Anwohner, das Thema ist gelöst und nun haben sie Geld für einen zweiten Platz und zur Sanierung der Anlage erhalten. Und die anderen Metropolregionen? Mainz ist ja auch so ein bisschen Teil der Rhein-Main-Region um Frankfurt. Dort ist es nun fast schon 10 Jahre her seit die ihr neues Baseballstadion gebaut haben, das ist ja auch ganz schön geworden. Und in München ist es Haar, die so ein bisschen versuchen, ihren Standort weiterzuentwickeln. An Standorten wie Regensburg hat man halt nicht ganz so die große Konkurrenz und dort ist es ein bisschen einfacher.
Es ist also insgesamt mühsam, wie wir aus Deinen Worten heraushören?
Ja. Aber es geht vorwärts, wie man ja jetzt in Stuttgart sieht. Oder Regensburg. Oder Paderborn. Aber auch in Bonn wurde für die Europameisterschaft viel Geld investiert, um die Anlage weiterzuentwickeln.
Entweder ich brauche einen guten Sponsor. Oder einen extrem rührigen Verein. Oder beides?
Genau. Regensburg ist ja auch nicht anders entstanden. Die haben Veranstaltungen dorthin geholt und mit dem Armin Zimmermann eine Person, die sich herausragend engagiert. Einer, der sowohl bei der Stadt als auch beim Landessportbund rumrennt, um Gelder loszueisen. Die Bonner haben auch ein paar einflussreiche Leute mit guten Connections. Und natürlich versuchen wir als DBV, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Hätten wir nicht das Lizenzkriterium Flutlichtanlage irgendwann eingeführt, wäre nicht an so vielen Standorten in dieser Richtung was passiert.
Wie geht es denn weiter? Gibt es bald wieder ein größeres Turnier in Deutschland?
Die Herren EM hatten wir ja 2019 in Deutschland, dieses Jahr ist sie in Tschechien und für 2025 wurde sie auch schon vergeben - nach Israel. Aber ja, wir sollten mal wieder eine Nachwuchs-EM machen. U23 oder U18. Dazu brauchen wir ein oder zwei Vereine, die Interesse haben, mitzumachen. Was wir eigentlich machen müssten, wäre eine Softball-Veranstaltung. Aber das ist auf Grund des Turnier-Systems, das wir im europäischen Softball haben, etwas schwierig. Da gibt es riesengroße Turniere mit 20 Mannschaften oder mehr. Und wenn Du das ausrichten willst, brauchst Du mal mindestens 3 oder 4 Softballplätze im näheren Umkreis und das haben wir in der Form nicht. Wir haben zwar noch nicht konkret drüber gesprochen, aber eine Nachwuchs-EM können wir schon wieder mal auf die Beine stellen.
Jürgen, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Gerd Bergmann.
Bild: DBV